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Beratzhausens Marktmauer und ihre Türme

Erstellt von leserbrief am 26-Aug-2011 16:25 (3326 gelesen)

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Die Befestigung des Ortes Beratzhausen reicht bis in die Entstehung des frühen "Pereharteshusa" zurück. Sicherlich war bereits der Nordgaugraf Rodolt, der 866 n.Chr. in Beratzhausen amtierte, bestrebt, seinen Besitz baulich zu schützen.

Der Fuldaer Abt Eberhard erwähnt, dass Otto dux, d.h. Otto von Schweinfurt, der Herzog von Schwaben (1048 - 1057), das "oppidum" Beratzhausen an das Kloster Fulda verschenkte. Der Begriff "oppidum" beschreibt eine befestigte, mit Mauern und Türmen umgebene, militärische Anlage.

Schon vor dem Jahr 1000 n.Chr. waren Reich und Kirche in Beratzhausen mächtig vertreten. Königshof und Bischofshof stellten Niederlassungen weltlicher und geistlicher Macht dar, die - den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend - geschützt und ummauert werden mussten.

1323 n. Chr. taucht die Formulierung "Bürger des Ortes" auf. Ein Ort des Handels, des Handwerks und der Kaufleute hat in der Praxis städtischen Charakter und musste durch Befestigung geschützt werden. Das frühe Beratzhausener Bürgertum kam zu gewissem Reichtum. Dies beweisen zum Beispiel die 2500 Münzen aus dem 13.Jahrhundert, welche man 1913 in einer Brandruine der unteren Gasse gefunden hat.

Marktrecht und Bürgertum sind nichts anderes als die juristische und ökonomische und soziale Ausprägung einer historischen Entwicklung, die einen gewissen Wohlstand ermöglichte. Im selben Tempo entwickelte sich Beratzhausens Marktmauer, die Befestigung des Ortes. Beratzhausen ist seit 1335 als Markt urkundlich zu belegen.

Hinweise zu Beratzhausens Marktmauer schildert Altbürgermeister Franz Xaver Staudigl in seinem "Heimatgeschichtslexikon". Unter dem Schlagwort "Befestigung" (Seite 29 ff) beschreibt Staudigl die Geschichte und Entwicklung von Beratzhausens Marktmauer.

Neben dem oberen und dem unteren Tor gab es noch fünf weitere Türme. Ein großer Teil von Beratzhausens Marktmauer ging am 31.Juli 1827 unwiederbringlich verloren, da der an diesem Tag wütende "große Brand" einen Großteil von Beratzhausen vernichtete. Die Südostecke Beratzhausens - in etwa der halbe Ort - wurde innerhalb weniger Stunden zerstört. Ruinen trug man ab und Gebäude wurden neu errichtet.

Neben dem Turm an der Laberbrücke und dem unteren Tor, welches ungefähr am Beginn der "unteren Gasse" zu finden war, verschwand auch die südöstliche Marktmauer Beratzhausens.

Die Häuser im Südostbereich der Marktstraße stehen heute alle mit der Traufseite zur Marktstraße, da hier nach dem 31.7.1827 neu gebaut werden musste. Der nordwestliche Teil der Marktstraße wurde nicht durch den großen Brand vernichtet. In diesem Bereich stehen die Gebäude - wie einst alle Häuser vor dem großen Brand - mit der Giebelseite zur Marktstraße.

So ist die noch in der Gegenwart zu beobachtende Unterschiedlichkeit in der Bauweise zwischen dem oberen und dem unteren Teil der Marktstraße ein Relikt aus der Zeit des großen Brandes, der das Gesicht Beratzhausens nachhaltig verändert hat.

Um 1900 n.Chr. existierten noch zwei Türme, die zu Beratzhausens historischer Befestigung gehörten. Zeitgenössische Fotos, die vom Kugelbergfelsen in Richtung Schlosshof aufgenommen wurden, belegen dies eindrucksvoll. Von dieser Befestigung ist im Jahre 2011 nur mehr ein sehr kleines Stück übrig, das unmittelbar oberhalb des Schlosshofes liegt und von außen kaum einsehbar ist.

Zu diesem Rest von Beratzhausens Marktmauer gehört der letzte erhaltene Turm, der - den Blicken verborgen - hinter dem Zehentstadl liegt und im Privatbesitz von Xaver Gassner und seiner Familie ist.

Dieser letzte von Beratzhausens Befestigung erhaltene Turm ist deutlich höher als 10 Meter und umfasst neben dem Dachbereich zwei Stockwerke. Im unteren Teil befindet sich ein Gewölbe, während der obere Teil aus einem Zimmer besteht, welches noch immer bewohnt wird. Die Mauerstärke beträgt im unteren Teil zwei Meter und sinkt mit steigender Höhe bis auf 95 Zentimeter im oberen Turmbereich. Im unteren Turm verwendete man behauene Bruchsteine und im oberen Turm begnügte man sich mit Feldsteinen. Durchwegs wurde Kalkmörtel verwendet. Der Dachstuhl des Turms wurde von einem ortsansässigen Zimmermann um 1950 neu konstruiert und ist mit Tontaschen bedeckt, während früher Schindeln benutzt wurden.

Der einstige Wehrturm umfasst vier Schießscharten und im Inneren des Turms fallen Schränke auf, die in den Mauern eingebaut sind. Die Mauern sind so hart, dass der Einbau eines Heizungsrohres, welches die Turmmauer durchqueren musste, erhebliche Schwierigkeiten bereitete.

So ähnlich - wie den noch erhaltenen Turm hinter dem Zehentstadl - dürfte man sich den mittlerweile zerstörten Turm vorstellen, der einst zwischen dem Schlosshof und der Bahnhofstraße zu finden war. Da dieser Turm an einem Eck der Marktmauer stand, war er etwas breiter als der erhaltene "Zwillingsturm". Die Höhe dürfte gleich gewesen sein. Neben diesem Eckturm war eine Scheune mit Zimmer in Form eines Anbaus errichtet. Für die Ziegenhaltung in der Vergangenheit war das Nebengebäude erforderlich. Das Dach bedeckte man mit Schindeln und eine Heizung erfolgte von außen.

Ein mächtiger Außenkamin reichte bis zum Dachanfang, da die Schindeln sonst gebrannt hätten. Ins obere und ins untere Zimmer führte jeweils eine Nische, über die eine Außenheizung erfolgen konnte.

Das untere Zimmer war die Stube, eine Art Wohnküche. Eine offene Feuerstelle in einem offenen Kamin mit Rost und gemauertem Herd prägte das Aussehen der Stube. Über der Stube war das Schlafzimmer, welches sich unter dem leeren Dachgeschoss befand. Eine Außentreppe, die mit einfachen Brettern überdacht war, führte in das obere Zimmer. In Beratzhausen nannte man diese Bauweise schon immer einen "Bretterverschlag". Das Dach war nur über eine Leiter vom Schlafzimmer aus erreichbar.

Die Wasserversorgung erfolgte lange nur über den Brunnen im Schlosshof und es standen lediglich Außentoiletten zur Verfügung. Trotzdem war der Eckturm von Beratzhausens Marktmauer, der neben der heutigen Bahnhofstraße stand, bewohnt.

Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation am Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Beratzhausen zahlreiche Gebäude privatisiert. Xaver Gassner erinnert sich, dass die Familie Herder über Jahrzehnte hinweg im Eckturm an der Bahnhofstraße wohnte. Irgendwann empfand man den Turm als nicht mehr zeitgemäße Wohnung und verkaufte ihn an die Familie Hoferer, welche den Turm abreißen ließ, um an seiner Stelle eine Schmiede zu errichten.

Der Abriss von Beratzhausens verlorenem "Herder - Turm" erfolgte zwischen den beiden Weltkriegen, möglicherweise in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Die Familie Herder kaufte anschließend ein Haus im oberen Maria - Hilf - Berg - Weg. Gerne erinnere ich mich an Theresia Hengl (geb. Herder), eine lebenslange Freundin meiner Oma Cäcilia Kuffer. Theresia Herder verbrachte ihre Kinderjahre in dem mittlerweile verschwundenen Eckturm von Beratzhausens Marktmauer. Ihr Sohn Adolf Herder hatte später viele Jahre lang als Uhrmachermeister ein Geschäft in der Marktstraße.

Der "Herder - Turm" galt einst als größter Turm von Beratzhausens Marktmauer und als ein Wahrzeichen des mittelalterlichen Beratzhausens. Er verschwand in einer Zeit, die den Wert der Denkmäler noch geringer bewertete als die Gegenwart. Der vorletzte Turm von Beratzhausens Marktmauer ist nicht mehr - er wäre heute ein Kulturdenkmal der besonderen Art.

Wer in unserer Zeit den schmalen Durchgang vom Schlosshof zur Bahnhofstraße durchschreitet, der kommt an der ehemaligen Schmiede der Familie Hoferer vorbei. Die Kellerwand der einstigen Schmiede ist mit Bruchsteinen gebaut, die vom ehemaligen "Herder - Turm" stammen.

Für den Betrachter wirkt es wie ein Gruß der Geschichte an unsere Zeit.

Dietmar Kuffer


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