Lukas Eichenseher fördert Privatisierung der Landwirtschaft in Russland
Kategorie : Hemau
Veröffentlicht von MarkJohn am 04-Sep-2003 20:11
„Trotz der schwierigen Zeiten muss man seine wirtschaftlich gesteckten Ziele unabhängig davon verfolgen“, ist eine Maxime von Lukas Eichenseher. Der aus Thonlohe stammende Molkereifachmann hat in den vergangenen Jahren in der Nähe von Moskau, zusammen mit seinem russischen Partner Vadim Gouchin eine Molkerei und einen Bekleidungsbetrieb erfolgreich ausgebaut. Seit Februar diesen Jahres privatisiert er erstmals, zusammen mit in- und ausländischen Partnern, eine Kolchose in der Nähe von Moskau. Und auch für die Zukunft hat er viele und nicht nur (land)wirtschaftliche Ideen.
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Der Bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller war bei den Vertragsunterzeichnungen in Moskau dabei. Fotos: privat


Bei Vorträgen will Lukas Eichenseher eine breite Bevölkerung, und vor allem mittelständische Unternehmen, für Russland und Investitionen in dieses Land gewinnen. Eine seiner Handlungsmaximen stellt folgender Sinnspruch dar: „Die Kunst im Leben besteht darin, das Komplizierte, das Komplexe auf das Vermittelbare, das Einfache zusammenzufassen. Das ist die Magie, aus der die großen Dinge entstehen.“
In Russland, dem größten Land der Erde (17 Millionen Quadratkilometer, 145 Millionen Einwohner, über 100 Nationalitäten), große Dinge entstehen zu lassen – da gehört Mut und langer Atem dazu. Selbst große Industrieunternehmen haben gehörigen Respekt, da zu Beginn der 90er Jahre, nach der Auflösung der UdSSR, die Wirtschaft – auch die Landwirtschaft - in Russland wie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion empfindlich getroffen wurde. „Durch die Einführung von Reformen vor allem nach der Machtübernahme von Vladimir Putin im Jahre 1999 rückte Russland innerhalb kürzester Zeit in ein positives Rampenlicht der Weltwirtschaft“, referiert Lukas Eichenseher bei seinen Vorträgen und weist auf die Kooperationen mit dem Ausland hin, die seither verstärkt laufen. Angesichts der Steigerung des Bruttoinlandproduktes im Jahre 2002 um 5,8 Prozent (in Moskau sogar 19,3 Prozent) ist Russland nach Eichensehers Ansicht künftig vor allem für die Europäische Union, und hier vor allem für den deutschen (bayerischen) Mittelstand ein interessanter Handels- und Geschäftspartner – deutsche Handelsriesen zieht es daher zunehmend nach Russland. Doch in der Landwirtschaft erfolgt die Privatisierung nur langsam, nahezu das gesamte Agrarland (96 Prozent) blieb unter Kontrolle ehemaliger Kollektive und Staatsbetriebe (Kolchosen und Sowchosen), von denen die meisten als Produzentenkooperativen oder Aktiengesellschaften reorganisiert worden sind. Nur etwa vier Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche werden von Privatbauern bewirtschaftet. Bis heute müssen Grundnahrungsmittel importiert werden!
Diese Situation führte dazu, dass sich Lukas Eichenseher mit seinem russischen Partner Vadim Gouchin, den er 1995 kennen gelernt hatte, ab 1996 mit einem Käsehandel selbstständig machte. Dies bedeutete dreierlei: Aus ganz Europa wurde Käse nach Russland verkauft. Es entwickelte sich ein erfolgreicher Handel mit etwa monatlich 70 LKW-Käsetransporten. Den Russen vermittelte er das nötige knowhow in der Milchwirtschaft mit dem Ziel, dass sie selbst in die Käseproduktion einsteigen. Im Jahr 1999 wurde in der Nähe Moskaus eine Molkerei übernommen und aufgebaut. Auf Wunsch des Partners von Lukas Eichenseher wurde im Jahre 1999 ein Bekleidungsbetrieb übernommen.
In Taldom (90 Kilometer nördlich von Moskau) hat Lukas Eichenseher zusammen mit Partnern aus Bayern und Moskau bereits Einiges geschaffen und noch mehr in Planung. Im Februar 2003 wurde die ehemalige Kolchose Ismailovskiy in die Agro Taldom Ltd. (5.238 Hektar, davon 4.000 Hektar bestes Ackerland; Haupteinnahmequelle: Milchproduktion von 650 Milchkühen) umgewandelt, eine der ersten Kolchosen, die sich in der Privatisierungsphase befindet. Verwaltet wird das Jointventure von Georg Lapin Nikolaevich, einem seit über 30 Jahren erfahrenen Agronomen. Die rechtliche und wirtschaftliche Kontrolle des Betriebes unterliegt Lukas Eichenseher. Mit Unterstützung bayerischer Investoren soll der Betrieb in den nächsten Jahren zu einem leistungsfähigen landwirtschaftlichen Unternehmen ausgebaut werden. Auch der Bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller war während der Vertragsunterzeichnung des bayerisch-russischen Joint Ventures vor Ort in Moskau.
Derzeit bieten die zwei Standbeine etwa 200 Menschen Arbeit. In der Schneiderei sind 120 Leute beschäftigt, in der Molkerei 60, in der Verwaltung für beide Betriebe 20. Doch Lukas Eichenseher hat weitere Ziele. Er führte bereits Gespräche mit mehreren bayerischen, deutschen und europäischen Mittelständlern, die auf dem Gelände von Agro Taldom eine Betriebsstätte aufbauen möchten. Insgesamt schwebt dem gebürtigen Thonloher ein Gewerbepark von 50 bis 70 Hektar vor, auf dem sich vor allem bayerische, aber auch deutsche und internationale Firmen ansiedeln könnten. Konkret denkt er an eine Metzgerei mit Schlachthof (bayerische Spezialitäten für die gehobene Gastronomie), einen Stahlverarbeitungsbetrieb, ein Sägewerk sowie ein Gelände für landwirtschaftliche Anbauversuche für ökonomische und ökologische Verantwortung zeigende Firmen. Zudem sind Angebote für Moskauer Bürger, die Naherholung suchen, angedacht wie Urlaub auf dem Bauernhof oder eine Landbrauerei. Die elf kleineren Seen auf der Fläche des Betriebs könnten zur Gründung eines Fischereibetriebes führen, was auch touristisch zu nutzen wäre.
Lukas Eichenseher sieht sich als Verknüpfer bzw. Brückenbauer zwischen Ost und West. Jährlich zeigt er bis zu 100 Leuten aus ganz Europa die Möglichkeiten über ein Engagement in Moskau, was vor allem in den heutigen Tagen ein sehr interessantes Investment darstellt.
Doch zur Agro Taldom Ltd. gehört auch eine soziale Seite: Ein Prozent des Nettoerlöses aus der Geschäftstätigkeit soll in soziale Projekte fließen. Hierfür ist ab Herbst 2003 die Gründung der Stiftung „p4p“ (people for people) geplant, aus deren Mitteln beispielsweise ein Heim für behinderte Waisenkinder errichtet werden soll. Auch darin wird die Aussage des oben zitierten Sinnspruchs und der Maxime Lukas Eichensehers deutlich. „Das ist die Magie, aus der die großen Dinge entstehen.“

Ein Portrait von Lukas Eichenseher ist auf der Hemau-Seite zu lesen!
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Lukas Eichenseher (rechts) mit seinem russischen Partner Vadim Gouchin sowie dem Vertreter der Schweizerischen Wirtschaft Bruno Buntschuh.


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Kleidung von höchster Qualität wird im Unternehmen von Lukas Eichenseher produziert.


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Auch bei geselligen Treffs werden die Projekte besprochen.