Auflösungsappell und Kommandoübergabe in der General von Steuben-Kaserne
Kategorie : Hemau
Veröffentlicht von MarkJohn am 29-Jun-2003 19:39
In einem feierlichen und bewegenden Zeremoniell hat sich am letzten Freitag die Bundeswehr von der Bevölkerung Hemaus, mit der sie 37 Jahre lang in gutem Kontakt standen, verabschiedet. Auf der Bundeswehrsportanlage in der General von Steuben-Kaserne wurde zudem die Kommandoübergabe des teilaktiven Gebirgsbeobachtungspanzerartilleriebataillons 83 und des Raketenartilleriebataillons 42 vollzogen. In seiner Festansprache würdigte Bezirkstagspräsident Rupert Schmid den Anteil der Hemauer Soldaten an der Friedenssicherung sowie die Zuverlässigkeit und Partnerschaft, mit der die Hemauer in den gut vier Jahrzehnten zu den Soldaten standen.
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Mit dem Einzug der Ehrenformation begann der Auflösungsappell




Mit militärischem Gepräge vollzog sich der Übergabe- und Auflösungsappell. Nachdem die teilnehmenden Einheiten einmarschiert waren und Meldung gemacht hatten, zogen das Heeresmusikkorps 4 und der Ehrenzug ein. Nach der Meldung an Frank-Peter Thomas, den S3 Stabsoffizier und stellvertretenden Kommandeur des Raketenartilleriebataillons 42, an Bataillonskommandeur Joachim Renner und an den Führer des Artillerieregiments 4, Oberstleutnant Hans-Joachim Klotz, schritten die drei Soldaten mit Bezirkstagspräsident Rupert Schmid und Bürgermeister Hans Pollinger die Front der aktiven Soldaten und der Reservisten ab. Zum allerletzten Mal konnten die Hemauer dieser Zeremonie in ihrer Stadt beiwohnen.
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Letztmals Abschreiten der Front in Hemau: Oberstleutnant Hans Joachim Klotz, der Führer des Artillerieregiments 4; Oberstleutnant d.R. Franz Reimer, Kommandeur des Gebirgsbeobachtungspanzerartilleriebataillon 83, Bezirkstagspräsident Rupert Schmid; Oberstleutnant Joachim Renner, Kommandeur des Raketenartilleriebataillons 42; Bürgermeister Hans Pollinger.


Betroffenheit und Bitterkeit über Auflösungsentscheidung
„Der große Zuspruch aus den unterschiedlichen Bereichen zeugt von der innigen Verbundenheit mit der Bundeswehr und dem Standort“, freute sich Kommandeur Renner in seiner Begrüßung und hieß die Bundes- bzw. Landtagsabgeordneten Erika Simm, Marianne Deml, Annemarie Förstner und Maria Scharfenberg sowie den früheren Bundestagsabgeordneten Benno Zierer willkommen. Sein Gruß galt auch Bezirkstagspräsident Rupert Schmid, Landrat Herbert Mirbeth und Bürgermeister Hans Pollinger sowie den früheren Hemauer Bürgermeistern Klaus Zäuner und Hans Schuster und zahlreichen Repräsentanten der Nachbargemeinden. Ebenso entbot er vielen Militärs seine Grüße, darunter einigen ehemaligen Kommandeuren des Standorts. „Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass die Auflösung von Truppenteilen als ein Positivum zu werten ist“, stellte der Kommandeur fest und rief die Fakten des Kalten Krieges wie auch die neuen Bedrohungen ins Bewusstsein. „Nachvollziehbar ist die Tatsache, dass für derartige Aufgaben der Bedarf an unserem Waffensystem, den Raketenwerfern MARS, deutlich geringer geworden ist. Dass es dann im Zuge der Auflösungsentscheidungen Hemau als Standort mit allen Truppenteilen traf und auch keine Alternativen durch eine Belegung mit anderen Einheiten gefunden werden konnten, hat bei allen Beteiligten eine tiefe Betroffenheit und auch Bitterkeit ausgelöst“, blickte der Standortälteste zurück und nannte neben den Folgen für die Soldaten und zivilen Mitarbeiter auch die Auswirkungen für Hemau. „Damit wird auch eine ausgesprochen vorteilhafte Symbiose beendet“, wies Renner hin auf die jahrzehntelange Prägung Hemaus durch die Bundeswehr sowie die Verbundenheit und Selbstverständlichkeit der Einbeziehung in das öffentliche Leben. „Hemau war und ist ein Standort, wie man es sich vom Stellenwert der Bundeswehr in einer Garnisonsstadt und im Umfeld nur wünschen kann“, zollte der Kommandeur Lob und verlieh im Auftrag des Bundesverteidigungsministers Bürgermeister Pollinger das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. An seine Soldaten gewandt meinte der Kommandeur: „Ich bin stolz darauf, als Kommandeur des Raketenartilleriebataillons 42 Ihr Vorgesetzter gewesen zu sein, so wie Sie stolz auf sich, Ihre persönlich und in der Zusammenarbeit in den Batterien um im Bataillon erbrachten Leistungen sein können.“
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Kommandeur Oberstleutnant Joachim Renner überreichte an Bürgermeister Hans Pollinger das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold.


Ende einer gewachsenen Freundschaft
Hemaus Bürgermeister Hans Pollinger sprach von Betroffenheit, Wehmut und Trauer, aber auch von einem großen Bedürfnis, „einer gewachsenen Freundschaft zum Abschied in würdiger Form ‚Auf Wiedersehen‘ zu sagen“. Für Pollinger stand der Dank für die nahezu vier Jahrzehnte Standortgemeinde im Vordergrund der Feier. Er rief den 1. April 1966, den Tag des Einzuges der ersten Soldaten, ebenso in Erinnerung wie die zahlreichen gemeinsamen Veranstaltungen von Stadt und Bundeswehr sowie die Bürgermeister und Kommandeure dieser 37 Jahre. Aber auch die wirtschaftlichen Belange. „Hemau nahm mit dem bisher größten zivilen Arbeitgeber einen stetigen wirtschaftlichen Aufschwung, der mit einem jährlichen Umsatzverlust von 4,4 Millionen Euro nicht so schnell ausgeglichen werden kann. Man kann diese Zeitspanne auch als 37 Jahre erlebte Aufgeschlossenheit, Offenheit, Verständnis, Integration und Stetigkeit des guten Einvernehmens bezeichnen“, stellte der Rathauschef dar und sprach den Bürgern, Soldaten und Freunden des Bundeswehrstandortes Hemau seinen Dank aus. Als symbolisches Geschenk wird im Rathausgarten neben dem Wappenstein des Stabsgebäudes eine „Barbara-Linde“ gepflanzt, um kommenden Generationen zu zeigen, „dass im Herzen der Stadt das weiter wächst, was uns mit der Schließung der Kaserne genommen wurde.“
Zuverlässigkeit und Treue der Bevölkerung zu den Soldaten
Den Anteil der Menschen, die in der Hemauer Kaserne tätig waren, an der Sicherung des Friedens hob Bezirkstagspräsident Rupert Schmid hervor. „Die Entscheidung für die Stadt Hemau war für die Bundeswehr eine gute“, stellte Schmid fest und nannte die gute Kooperation zwischen der Stadtverwaltung und den Offizieren und Kammandeuren. „Die Entscheidung zuungunsten Hemaus halte ich auch heute noch für falsch, auch wenn es eine gute Sache ist, wenn aus strategischen Gründen Standorte aufgelöst werden“, bezog der Bezirkstagspräsident klar Stellung. „Ich habe oft erlebt, wie zuverlässig, partnerschaftlich und treu die Stadt und ihre Bevölkerung zur Bundeswehr stand. Es war wie eine große Familie in Hemau, man hat sich gegenseitig geholfen“, charakterisierte er den Zusammenhalt zum Beispiel auch bei Naturkatastrophen. An die Bundesregierung gewandt meinte er: „Die Stadt Hemau hat es verdient, dass der Grundstückseigentümer sich nobel bezüglich der Anlagen zeigt. Wenn uns der Friede erhalten bleibt, können wir die heutige Entscheidung verschmerzen.“
Schulterschluss war Herzensangelegenheit
„Das Artillerieregiment 4 und seine Truppenteile, dazu gehört auch das Raketenartilleriebataillon 42 auf dem Tangrintel, gehören nach Auffassung des Bundesministers für Verteidigung zu den Truppenkörpern, die in der neuen Heeresstruktur keinen Platz mehr haben“, stellte der Führer des Artillerieregiments 4, Oberstleutnant Hans-Joachim Klotz, dar und verwies auf die neuen weltpolitischen Konstellationen. Ebenso erinnerte er an einen jungen Kanonier namens Hans Pollinger, der bei ihm 1973/74 in Regensburg Soldat war, und an die Übungen im Rahmen des Konzeptes der atomaren Abschreckung. „Hier spürte man, dass dieser Schulterschluss auch eine Herzensangelegenheit war“, kommentierte er das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Stadt und Bundeswehr. „Ich bedauere es, dass hier ein gut funktionierendes, in der Bevölkerung gut eingebettetes und leistungsfähiges Bataillon aufzulösen ist. Ihnen, meine sehr verehrten Bürger von Hemau, und Ihnen, meine sehr verehrten Gäste, die Sie den Artilleristen über Jahre die Treue gehalten haben, danke ich ganz herzlich für Ihre Unterstützung.“
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Auch zahlreiche Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker sowie Vertreter der US-Militärs nahmen an der Zeremonie teil.


Übergabe der zwei Kommandos
Nach der Rede von Oberstleutnant Klotz wurde das Kommando des Raketenartilleriebataillons 42 von Oberstleutnant Joachim Renner an Oberstleutnant Hartmut Garz sowie das Kommando über das Gebirgsbeobachtungspanzerartilleriebataillon 83 von Oberstleutnant d.R. Franz Reimer an Oberstleutnant d.R. Ralf Schäfer übertragen. Damit ging für Joachim Renner, den zwölften und letzten Kommandeur des Raketenartilleriebataillons 42, die Kommandeurszeit in Hemau zu Ende. Im verbleibenden halben Jahr gibt es keinen Bataillonskommandeur mehr. Renner ist ab 1. Juli in Ulm als Stabsoffizier der G2 Abteilung im Stab des deutsch-amerikanischen Korps tätig. Mit einer Serenade des Heeresmusikkorps 4 sowie der Bayernhymne und dem Deutschlandlied endete der Auflösungsappell. Im Rahmen des anschließenden Kameradschaftsabends wurden die Patenschaften des Raketenartilleriebataillons 42 mit dem Gebirgsbeobachtungspanzerartilleriebataillon 83, mit dem US-Partnerbataillon 1st Bn of 33rd FA-Rgt und die erst im 1998 geschlossene Patenschaft mit der Stadt Hemau aufgelöst.
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Kommandeur Joachim Renner gab an Bürgermeister Hans Pollinger die Patenschaftsurkunde.


Fotos: Markus Bauer